Touristen sind immer die anderen

(German)

Touristen sind immer die anderen! Viele Reisende fühlen sich als höhere Wesen, quasi Ideale ihrer selbst, und peinliche Artgenossen stehen der Eigenwahrnehmung im Wege.

 

Undine Bandelins Werke spielen mit dem Klischee und dem Fremdbild. Bevorzugtes Ziel: Spießer*innen. Bevorzugte (und zunehmend begeisterte) Abnehmer Ihrer Werke: Ebenjene. Diese überraschende Symbiose kommt teilweise dadurch zustande, dass nur die anderen gemeint zu sein scheinen. Ebenso spielen Masochismus und distanzierte Amüsiertheit eine Rolle. Denn Undine Bandelin ist viel zu intelligent und gewitzt, um in tumbe Klischees zu verfallen. „Das hat alles einen Drall und überspitzt das Normale“, postuliert die Künstlerin.

 

Malerisch virtuos vorgetragen, expressiv übersteigert, mit einer starken Palette gemalt, erzählt Undine Bandelin spannende Geschichten von Selbst- und Fremdwahrnehmung. Ihre beiden in der Ausstellung „>1000 Worte“ gezeigten Werke bilden eine wichtige Facette des zeitgenössischen Narrativs ab.

 

Das Gemälde „Der Triumph“ (2020, Öl und Acryl auf Leinwand, 140 x 180 cm) zeigt eine Gruppe älterer, vermutlich wohlhabender, möglicherweise konservativer, ziemlich sicher amerikanischer Aktivistinnen. Angedeutete Stuck- und Spiegelreliefs im Hintergrund sorgen für einen illustren Rahmen. Die fünf posieren für einen Schnappschuss. Eine füllige Frau links, ausgestattet mit Cowboyhut und großer Tasche, reckt in typischer Fotomanier den Daumen nach oben. Auffällig ist, dass die Ladies trotz ihrer Bekleidung nackt wirken, ja fast gespenstisch durchsichtig. Ihre Darstellung in fauligen, grünlichen Tönen verstärkt den Eindruck von Absenz.

 

Eine Ausnahme bildet die Älteste, dargestellt in einem roten Kleid mit Op-Art-Muster. Sie wirkt präsenter, wirklicher, wie eine deutsche Oma (mit Pudel auf dem Arm) inmitten einer Projektion texanischer Trump-Fans.

 

Antonia Peters

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein ähnlicher Effekt versteckter Nicht-Zugehörigkeit verbirgt sich im Hochformat „Die Edelmänner“ (2020, Öl und Acryl auf Leinwand, 170 x 120 cm), welches aus der Bildserie „Macht und Ohnmacht“ stammt. Das Werk zeigt drei Männer auf einer roten Bank, in einem Darkroom mit roten, violetten und grünen Bodenfliesen. Die Gentlemen sind nackt, aber nicht wirklich - der Herr rechts trägt Epauletten, die wirken wie Überreste einer transparent gewordenen Uniform. „Stell ihn Dir nackt vor“, wird geraten, wenn wir mit Autoritäten zu tun bekommen, die wir entzaubern möchten. Genau das tut die Künstlerin, und siehe da, körperliche Makel kommen zum Vorschein, die helfen, das Gegenüber nicht mehr allzu ernst zu nehmen.

 

Zwei der Herren wirken distanziert, zurückgenommen, die Beine übereinandergeschlagen, süffisant lächelnd. Frisur und Barttracht legen nahe, dass der linke aus dem 18., der rechte aus dem 19. Jahrhundert stammt. Der mittlere Akteur, welcher sich dem Betrachter entgegenneigt, erscheint offen, arglos, ein wenig naiv und wohlmeinend.

 

Ist er das Pendant zur Frau mit dem Pudel aus dem „Triumph“? Vielleicht sogar ihr Mann? Handelt es sich um versteckte Porträts der Eltern oder Großeltern der Künstlerin? Undine Bandelins Gemälde bergen Verweise, Anspielungen und Humor, aber auch Sarkasmus und Zynismus sind ihnen thematisch keineswegs fremd.

 

Undine Bandelin wurde 1980 in Jena geboren. Sie studierte von 2002-2005 an der Bauhaus-Universität in Weimar Freie Kunst, von 2005 bis 2011 Malerei an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle, wo sie ihr Diplom erwarb und anschließend ein Meisterschülerstudium der Malerei bei Prof. Pleuger absolvierte. 2012 erhielt die Künstlerin ein Stipendium der Kunststiftung Sachsen-Anhalt, 2013 ein Arbeitsstipendium des Künstlerhauses Meinersen und 2014 ein Stipendium des Landesverbandes Lippe. Seit 2015 erfüllt sie einen Lehrauftrag für Malerei im Kontext neuer Medien an der Burg Giebichenstein Halle.

Antonia Peters