Die Einfassung des Offenen

Gibt’s das denn, was da hervor lugt und hervor kriecht und springt und hinein tritt, was da anwest vor unseren Augen und ein Dasein hat, fremd, vertraut, stark Rot, Blau kreisend, wild umstanden von so manchem Zaungast, der ratlos staunt in seinem eigenen Traum. Wer weiß schon, was hier gespielt wird und wer hier spielt und wohin die Reise geht. Gewiss ist anderes: das tastende Berühren manch starren Blicks, das Grelle der Farbe, das Licht der hellen Dämmerung, die alles umfasst und alles entzieht, wie der Traumsand die Augen schließt und hineinlockt in ein Anderswo, in dem wir gleichermaßen leben.

Man mag an Ingmar Bergmanns grandiosen Film „Wilde Erdbeeren“ von 1957 denken, der die Geschichte von Isak Borg erzählt. Isak befindet sich auf einer Reise durch die Orte seiner Jugend; eine wahre Lebensreise tief hinab. Er beginnt auf dieser Fahrt zu träumen. Und diese Träume verändern alles. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Wirklichkeit, Traumwelt, - alles verschwimmt, alles ist zugleich und beeinflusst sich. Die Reise gerät zu einer existenziellen Lockerung, einem Offenwerden für die Realität des Traums, der unaufhaltsam seinen Platz beansprucht im streng rationalen, und in dieser Rationalität ausweglosen Leben. Der Traum wird, endlich, zu einem Medium des Erlebens, des Daseins; Welterkenntnis und Weltbegegnung in einem – wie das Wachsein, nur mächtiger.

Die Bilder Undine Bandelins sind mit diesem Film durchaus vergleichbar, denn es handelt sich nicht um gemalte Abbilder, um Übertragungen von etwas in Malerei, das so oder so ähnlich ist oder sich, wo auch immer, so ereignet hat. Ihre Bilder sind keine rationalen Kalkulationen, keine conceptual art und auch keine gemalten Träume, keine Traumstrips für die Psychoanalyse. Das Entstehen dieser Bildwelten ist ein synthetisierender Akt, das Herstellen eines großen Ineinanders und Zugleichseins von Erlebtem und Geträumtem, von bewusst Phantasiertem, Erfühltem, Erinnertem, das uns, den Betrachtern, gegenübersteht als etwas Fremdes und merkwürdig Vertrautes gleichermaßen.

Doch was dominiert? Wir wissen es nicht. Am Anfang steht, nur zum Beispiel, eine Farbe; und diese Farbe könnte eine Erinnerung sein, eine Erinnerung an die verblassende Kindheit oder den Traum der vergangenen Nacht; sie könnte auch einen ganz anderen Grund haben oder keinen. Doch mit dieser Farbe, oder auch einer Form, beginnt alles. Dann gilt es zu reagieren, weiteres Leben zu stiften und Sinn. Figuren treten auf, Sprache kommt hinzu, neue Farben und neue Formen. Anderes vergeht. Welcher Seins- und Erlebnisschicht die endgültigen Bildelemente entstammen, lässt sich kaum erkennen. Dies bleibt Undine Bandelins Geheimnis und unser Glück, denn diese Bilder funktionieren, weil wir ihren Eigen-Sinn glauben und nicht, weil wir ihn zu enträtseln vermögen.

 

John Palatini