Gift und Glitzer

GIFT & GLITZER
Schon immer hat Undine Bandelin die Menschen nackt dargestellt. Aber die Art der Nacktheit hat
sich gewandelt. Hat sie früher eine Offenheit, eine naive Unschuld repräsentiert, steht sie jetzt
für eine Schamlosigkeit, die sich ihrer selbst nicht bewusst ist. Man fühlt sich an das Märchen
„Des Kaisers neue Kleider“ erinnert, indem es schließlich ein Kind ist, das ausspricht, was alle
sehen und doch keiner zu sagen wagt: Er ist nackt. Aber in den Bildern von Bandelin geht es
nicht um die Nacktheit der Menschen, sie verstärkt nur, was dem Betrachter eigentlich vor Augen
geführt wird: Die Masken der Moral, die Fassade des Anstandes und des Respekts sind gefallen.
Das, was früher galt, gilt heute nicht mehr. Was als Befreiung von Regeln, Zuschreibungen und
festgelegten Rollen begann, ist in eine Beliebigkeit abgeglitten. Wenn man Entscheidungen über
das eigene Leben selbstständig treffen kann, ist das schön. Wenn man sich jedoch vor lauter
individueller Entscheidungsfreiheit verliert, einsam fühlt und Konsensfähigkeit einbüßt, fängt die
demokratische Ordnung an zu bröckeln. Sie wird anfällig. Anfällig für Ideen oder Personen die
einen Weg aus der Vereinzelung versprechen, die vorgeben eine Lösung zu kennen, die scheinbar
von Mensch zu Mensch, emotional und zugänglich sprechen und durch Vereinfachung wunderbar
verschlagwortet und verbreitet werden können. Schon Platon hat vor der Demokratie gewarnt, da
er der Ansicht war, sie trüge bereits Vorzeichen der Tyrannis, ihrer Verkehrung in ihr Gegenteil,
in sich. Das Problem der Demokratie sei eine schrankenlose und fragmentierte Freiheit, also das
Fehlen eines übergeordneten gesellschaftlichen Konsenses. Dies würde einen Dauerkonflikt
privater Eigeninteressen zur Folge haben, der sich wiederum früher oder später gegen die
Demokratie selbst wendet.
Der Ausstellungstitel „Gift & Glitzer“ ist dem Kosmos Georg Groszs entnommen. Wie Undine
Bandelin zeigte auch er eine in die Dekadenz gekommene Gesellschaft, irgendwo zwischen
exzessiver Feierfreude, Bürokratismus und devoter Unterordnung. Doch die Verletztheit und das
Elend der Menschen kommt bei Grosz von außen, während die Zerstörung des Menschen bei
Bandelin von innen kommt. Es gibt nichts mehr, woran er, sie, es glauben kann und das macht
anfällig für sämtliche Heilsversprechen und sei es nur das der stellvertretenden Egomanie.

Esther Niebel

Ausstellungsansicht Gift und Glitzer 1
Ausstellungsansicht Gift und Glitzer 2
Ausstellungsansicht Gift und Glitzer 3
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